Die Umstände - nicht zuletzt die Tatsache, dass es ab morgen eine Blog-Weltreise zu bewerkstelligen gilt - führen dazu, dass ich die Frank-Geschichte heute beenden werde. Ein neuer Monat beginnt in wenigen Stunden, am ersten April hatte ich begonnen, also ist es Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. Die Wiederaufarbeitung der Geschichte hat einiges in mir ausgelöst. Gestern nacht saß ich mit dem Menschen, der sie außer mir und Frank am besten kennt, in diversen Kneipen und habe mir noch einmal in aller Deutlichkeit ins Gesicht sagen lassen, dass meine Wahrnehmung der Dinge erheblich von der Realität abweicht. Dass unendlich viel Feigheit, Unreife und postpubertäres Gehabe zu einem Szenario geführt haben, was irgendwann außer Kontrolle geraten ist und für mich zum Selbstzweck wurde. Es war ein ungeheuer heilsames Gespräch. Und hier ist der dramatische vorläufige Rest der Story.
Der Kurs endete im April 1998. Zeitgleich lief auch mein Zeitvertrag aus. Man hatte mir keinen neuen angeboten, da die Story aufgeflogen war und ich aufgrund meines unvernünftigen Verhaltens für nicht tragbar befunden wurde.
Bis zum Schluss hatte es keine vernünftige Aussprache zwischen uns gegeben. Frank mied mich, wo er nur konnte, und gebärdete sich in der Abschlussrüfung, in der ich als Beisitzerin fungierte, auch reichlich komisch. Noch nicht einmal Auf Wiedersehen wollte er mir sagen. Nun denn. Meine Entscheidung, zurück an die Uni zu gehen und zu promovieren, hielt mich zunächst davon ab, zu viel in Erinnerungen zu schwelgen. Doch sie waren da. Der Blick eines waidwunden Rehs, die Erinnerung an Berührungen, Küsse... Ich schrieb ihm beharrlich SMSe und bekam manchmal sogar eine - teilweise patzige - Antwort. Dennoch sahen wir uns fast drei Jahre nicht wieder. Dazwischen lag ein Krieg, in dem die Brücken meiner Heimatstadt und mit ihr das Leben meines ersten "richtigen" Freundes Oleg von NATO-Bomben zerstört wurden. Während dessen war Frank auch auf dem Balkan, was mir zusätzlich schlaflose Nächte bereitete.
Dann, 2001, zwei Tage vor meinem dreißigsten Geburtstag, gab es wieder eine Mondfinsternis. Ich bekam einen seltsamen Anruf von einem sichtlich angetrunkenen Frank, dass ich in eine bestimmte Kneipe kommen solle und so tun, als sei ich zufällig da. Dort erzählte er mir eine haarsträubende Story von wegen Job verlieren und Spionage und militärische Abwehr und Kontaktsperre. Zwölf Stunden später klingelt der Verfassungsschutz an meiner Tür und erzählt mir die zweite Version derselben Geschichte. Dass unsere Affäre aufgeflogen sei, dass begründeter Verdacht auf Spionage bestünde und dass von mir verlangt würde, alle Kontakte zu ehemaligen Schülern abzubrechen. Wie soll ich denn Franks Handynummer vergessen, ich weiß sie doch auswendig?
Totaler Absturz, Mond-, Sonnen- und Geistesfinsternis macht sich breit. Ich bin mehrere Monate völlig von Sinnen. Irgendwann zerstreut sich die Paranoia halbwegs.
Fast zwei Jahre später, im September 2002, taucht er plötzlich wieder auf. Ruft an, will mit mir einen trinken gehen, erzählt mir, er sei seit zwei Jahren solo und es ginge ihm gut damit. Irgendwann küssen wir uns. Er sagt, dass er jetzt wahnsinnig gerne mit mir schlafen würde. Ich entgegne, dass er besoffen sei, und dass ich ihm das nicht abnehmen würde. Erinnere ihn an eine Begebenheit, wo er mir - bei einer der seltenen vernünftigen Unterhaltungen, die wir hatten - gesagt hat, dass er auch nüchtern und bei Tageslicht mit mir schlafen würde (er war bei dieser Aussage nüchtern und es war hell draußen). Und dass er es dennoch nie getan hat. Seine unwiderstehlichen Blicke jedoch lassen mich schnell gefügig werden und ich schleife ihn ins Hochbett. Endlich scheint die Erfüllung aller Wünsche in greifbare Nähe gerückt. Doch nein - kurz bevor es zum äußersten kommt, springt Frank vom Bett und zieht sich hastig an. Alles Heulen und Flehen hilft nichts - er kommt nicht mehr zurück. Ich will den Schlüssel verstecken, gebe aber nach, da er den Blick eines Amokläufers hat. Später erzählt er mir, er wäre gestorben, wenn wir es getan hätten.
Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Kurz darauf ging ich nach Berlin. Wir haben noch manches Mal telefoniert und gemailt, irgendwann jedoch hatte er sämtliche mir bekannten Kontaktdaten von heute auf morgen geändert.
Und da mir kein entsprechend herzzerreißendes Ende für diese Story einfällt, nehme ich - obwohl ich versprochen hatte, hier auf literarische Ausschmückung zu verzichten - einfach das Ende des zweiten Kapitels meines Romans.Für alle, die Gefallen an der Geschichte bekommen haben, wird es irgendwann nach der Veröffentlichung (hüstel, schulterselberklopf) ein mit Autogramm versehenes Exemplar geben. Haltet Ausschau nach Valerie Fröhlich. Und natürlich nach Ruby Cheeful.
Ich will nicht mehr haben und tun, nur noch sein. Ich habe alles erlebt, was diese Welt an Spaß und an Schmerz zu bieten hat. Jetzt werde ich in Wales oder Albanien Kleinvieh hüten und meinen Tagesablauf am Sonnenlicht orientieren. Ich liebe Frank, und ich schäme mich weder dafür noch verheimliche ich es. Und eines Tages, und sei es im Himmel, werden wir nebeneinander liegen und er wird es verstanden haben. Der große Rest der Welt ist vollkommen unwichtig.
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