editorial: ich kann mich mittlerweile vor anfragen nach reiseberichten kaum noch retten, deswegen beginne ich jetzt, eine woche nach der rückkehr, mal endlich mit der preisgabe von eindrücken aus der großen bunten stadt.
das unverzichtbarste hilfsmittel eines jeden menschen, der sich in Buenos Aires ehrgeizig ohne taxi zurechtfinden will, ist ein kleines büchlein, das in jede hosentasche passt und auf den schönen namen guía T hört:
darin sind nicht nur alle straßen, sondern auch 749 buslinien ("colectivos") verzeichnet, von denen jede einer anderen gesellschaft gehört, andersfarbige busse hat und vollkommen verschiedene hin- und rückwege fährt (in B.A. sind alle straßen, bis auf ganz wenige avenidas, einbahnstraßen).
die haltestellen sind alles andere als eindeutig gekennzeichnet, mal finden sich winzige nümmerchen an laternenpfahlen, mal an hauswänden, mal auch gar nicht. die busse fahren meist auf der mittelspur und halten nur nach winkzeichen, dann allerdings mit vollbremsung.
man darf nur mit münzen zahlen, daher besteht eine der hysterischsten aufgaben jedes busfahrenden darin, immer drauf zu achten, 90 centavos (bei meiner ankunft waren es noch 80) parat zu haben oder sonst irgendwelche münzen. nirgendwo sonst habe ich so einen mangel an monedas festgestellt wie bei der allabendlichen überlegung, ob man für die gesamte gruppe genug wechselgeld zum busfahren übrig hat. das ist im wesentlichen der tatsache zu verdanken, dass es 2-pesos-scheine gibt, und sich alle obst-, kaugummi-, eis- und sonstige verkäufer immer irgendwie bemühen, dem käufer in scheinen rauszugeben (das kann auch schon mal so enden, dass man mit einem zehner ein kaugummi kaufen will, nur um wechselgeld zum busfahren zu haben, und der verkäufer sich weigert, das kaugummi rauszurücken, weil er keine münzen hat. manchmal bekommt man dann den kaugummi geschenkt, man sollte ihn also in den mund stecken, bevor man feststellt, dass der verkäufer nicht rausgeben kann).
die busse fahren nicht nur abenteuerlich (verkehrsregeln gibt es kaum, aber auch unfälle sind selten, da alle irgendwie die gleiche gute laune haben) sondern sehen auch so aus, in manchen hängt disko-beleuchtung, in manchen jede menge plastikjesusse und fromme sprüche auf gestickten tüchern. man weiß nie genau, wo der bus hinfährt, aber man kommt immer irgendwie an, da man ja den guía T hat, der in schachbrettmuster aufgeteilt ist, wo man dann immer schön vergleichen kann, ob der bus, in dem man gerade sitzt, auch von A nach B fährt. umsteigen gilt nicht, der sport besteht darin, von den über 700 bussen einen zu finden, der einen genau dahin bringt, wo man hin will.
das beste aber ist meiner meinung nach die
hupende website des guía T. viel spaß beim gucken! wenn jemand außer tangomusik und einem hupenden bus noch irgendein hilfreiches feature auf der seite findet (proximamente heißt so viel wie mañana, also jedenfalls nicht dieses jahr), möge er sich bei mir melden. ich schenke ihm 4 pesos in zwei scheinen für den erwerb eines guía T.
und übrigens: ich gebe offen zu, ich bin ein weichei. meine gastgeberin Lola hat mir mehrere hundert mal erklärt und vorgemacht, wie es geht, ich habe immer brav mitgemacht, aber alleine bin ich kein einziges mal in einen colectivo gestiegen, nur in die u-bahn (da kann man aber auch in scheinen zahlen und die haltestellen sind eindeutig gekennzeichnet, vor allem aber kann man auf dem rückweg die gleiche strecke fahren wie auf dem hinweg. über die u-bahn - "subte" genannt, wird es aber noch einen eigenen text geben).